Der Gloggnerhof in Kreuth
Tourismus wird am Tegernsee großgeschrieben. Von den rund 24.000 Einwohnern arbeiten rund 4.000 in dieser Branche. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 konnten sich die fünf Gemeinden um den Tegernsee über 1,6 Millionen Übernachtungen sowie vier Millionen Tagesgäste freuen, was der Region Umsätze in Höhe von rund 300 Millionen Euro bescherte.
Weniger optimistisch gestaltet sich da die Entwicklung der traditionellen Landwirtschaft. „Zuletzt waren wir nur noch sechs im Tegernseer Tal, von denen Bergader die Milch abholt“, sagt Hofeigner Markus Mayr.
„Ich habe gehört, dass schon wieder einer aufgehört hat. Mal schauen, wie viele nächstes Jahr noch übrig sind.“ Die Molkerei ist wichtig für Familie Mayr, weil sie die Milch nicht selbst vermarkten können und davon abhängig sind, dass sie ihnen abgekauft wird. Ohne Liefervertrag würde es noch schwieriger werden. Doch wenn der eigene Hof, zu dem noch ein Wald und vierzig Hektar Alm gehören, seit 1543 in Familienbesitz ist, ist es doppelt bitter aufzugeben.
Zur Landwirtschaft sind sowohl Markus als auch seine Frau Manuela über Umwege gekommen. Markus ist gelernter Kfz-Mechaniker und ist nach seiner Ausbildung in den Tiefbau gewechselt. Manuela kommt aus dem technischen Bereich und wurde bei Siemens ausgebildet. „Die Liebe ist hingefallen“, erzählt sie. „Wir haben recht schnell den Hof übernehmen müssen, da mein Schwiegervater krank wurde.“ Das war 2006. Im Vordergrund stand die Überlegung, den Hof zunächst einmal so lange fortzuführen, bis die Kinder selbst entscheiden könnten, ob sie weitermachen wollen oder nicht.
„Mein Vater hat den Hof noch in Vollzeit bewirtschaftet“, erklärt Markus. „Wir betreiben ihn derzeit im Nebenerwerb.“ Er arbeitet in Teilzeit als Baggerfahrer, Manuela in der Tourismusbranche. „Das geht aber nur, weil uns die Kinder dabei helfen.“ Manuela fügt hinzu, wie stolz sie auf ihre drei Kinder ist, die inzwischen alle volljährig sind.
Florian, der älteste, ist Kunstschmied, hat dann aber, wie der Vater, im Tiefbau gearbeitet. Auf dem Hof trotzdem Hand anzulegen, wenn es nötig ist, war er von früh an gewohnt. Freilich bedeutet das, auf sehr viel Freizeit zu verzichten: „Generell helfe ich viel bei den Holzarbeiten im Winter oder am Wochenende. Dann, wenn ich neben meiner Arbeit noch Zeit habe. Samstag war bisher immer unser ‚Anpacktag‘.“ Der Wald ist deshalb ein Schwerpunkt im Winter, weil es bodenschonender ist, bei Schnee mit schwerem Gerät hineinzugehen. Außerdem kann so das Brennholz für die nächste Kälteperiode über den Sommer trocknen.
Für Martin ist die Verarbeitung des Holzes ein besonderer Schwerpunkt, weil er gelernter Zimmerer ist. Manchmal sind es nur Zaunarbeiten, manchmal ist aber eine Hütte baufällig geworden. „Teilweise sind die Wirtschaftsgebäude schon sehr alt und da ist halt immer etwas zu reparieren oder auszutauschen“, erläutert er. „Die Witterung hier oben ist anders als unten im Tal. Manchmal sind es nur kleine Verbesserungen, die einem später die Arbeit erleichtern. Man muss immer dranbleiben, denn wenn man länger nichts macht, holt es einen irgendwann ein.“
Nach starken Sturmschäden 2018 überzeugte Martin den Vater, ein eigenes Sägewerk zu kaufen, als gerade eines zum Verkauf stand. Bislang hatte die Familie mit dem Holz immer 45 Minuten bis zum nächsten Sägewerk fahren müssen und auch die Abholung kostete viel Zeit. Für die Mayrs ist jede einzelne freigewordene Stunde kostbar, um andere Arbeiten bewältigen zu können. „Jetzt schneiden wir das Holz hauptsächlich selbst, weil wir für den Nebenerwerb wenig Zeit haben. So bleibt auch die Wertschöpfung unseres Holzes bei uns.“
Eine besondere Herausforderung war die Instandsetzung der traditionellen Almhütte. Für das Dach selbst wollte Martin kein Holz verwenden, da es bei der Witterung am Berg zu schnell verrottet. Stattdessen kamen Holzschindeln für die Wände zum Einsatz, da sie dort langlebiger sind und das Wasser so besonders gut abfließen lassen. Alle Schindeln sind aus eigener Herstellung. Normalerweise findet dabei handgespaltenes Lärchenholz Verwendung, das teuer ist. Im eigenen Wald hingegen fand sich keine einzige Lärche. „Daher haben wir uns gedacht, dass Tannen auch einen gewissen Witterungswiderstand besitzen, und deshalb diese verarbeitet.“ Mit dem Ergebnis ist Martin zufrieden. „Es ist ein Experiment, aber bis jetzt schaut es ganz gut aus. Ich hoffe, dass die Schindeln die nächsten fünfzig Jahre halten.“
Obwohl Tochter Vreni mitten in der Ausbildung zur Erzieherin steckt, hilft sie bei der Versorgung der Tiere, so oft es geht. „Ich kümmere mich darum, dass die Kälber ihre Milch bekommen und dass die Wiese ums Haus abgegrast wird. Außerdem schaue ich, dass die Größeren, bevor sie auf die Alm kommen, genug Heu und Wasser haben. Und abends bringe ich die Tiere mit in den Stall.“
Um die dreißig Tiere gehören zum Hof. Traditionell ist das Jungvieh den Sommer über auf der Alm. Kälber, die noch die Milch von ihren Müttern bekommen, dagegen nicht. „Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal versucht, Kühe, die trocken sind, auch auf die Alm zu bringen“, erzählt Manuela Mayr. Damit ist die Zeit zwischen dem Ende der Milchabgabe und der Geburt des nächsten Kalbes gemeint. Der Versuch scheint zu funktionieren. „Das entlastet uns auf dem Hof und es tut den Tieren auch gut. Auf der Alm ist es für die Kühe wie im Urlaub.“
In erster Linie hat der Senner dafür zu sorgen, dass das tatsächlich so ist. Er trägt die Hauptverantwortung für das Wohlbefinden des Viehs auf der Alm. Markus weiß, dass das nicht immer einfach ist: „Mein Vater hat das über zwölf Jahre selbst ohne fremde Hilfe gemacht, weil er zuvor schlechte Erfahrung mit Sennern hatte.“ Es ist ein großes Glück für die Mayrs, dass es derzeit anders geht. „Der Anderl ist eine Vertrauensperson, seit der Kindheit kennen wir uns. Er hat selbst schon einmal eine Ranch gehabt, in Amerika, und hat von daher einen guten Überblick und vor allem die nötige Gelassenheit.“ Die war in jenem Sommer besonders gefragt, als es einen plötzlichen Wintereinbruch gab und es Tieren gelang, auszubrechen. Ein unerfahrener Senner wäre in so einer Situation wohl in Panik geraten.
Die Weidbergalm steigt von 1.400 auf 1.500 Höhenmeter, in der Mitte steht die Hütte. Sie ist deshalb wichtig, weil die zwölf Hektar Weidefläche am Hof allein nicht genügend Futter liefern würde. „Deswegen gibt es diese Almbetriebe auch schon seit Jahrhunderten“, meint Markus. „Mein Urgroßvater hat diese Alm 1910 gekauft. Es ist schön, wenn man das erhalten kann.“
Manches, was dafür nötig ist, lässt die Familie mittlerweile extern erledigen, vor allem das Schwenden. Darunter versteht man das gezielte Entfernen von Weideunkräutern, aufkommenden Zwergsträuchern und Fichten, um das Verwildern der Almfläche zu verhindern. „Es ist schon ein großer Aufwand, mit dem Traktor hochzufahren und das ganze Werkzeug mitzuschleppen“, sagt Martin. „Da tut sich ein Profi deutlich leichter als wir.“ Das meiste lässt sich freilich nicht abgeben und auch nicht alles macht Freude. „Unkrautjäten ist eine fade Arbeit“, findet er, „gehört aber dazu, damit die Alm nicht zuwächst.“
Früher oder später steht nun für die Mayrs die Entscheidung über die Zukunft des Hofes an. „Das Generationenthema ist etwas Schwieriges“, gibt Vater Markus zu. „Viele Bauern haben das Problem, dass die Kinder einfach etwas anderes machen wollen. Wir haben das auch noch nicht ganz geklärt.“ Ein wichtiger Schritt ist, dass Martin Interesse an einer Weiterführung zeigt. Er ist bereits mitten in seiner zweiten Ausbildung, diesmal zum Landwirt. Nun muss eine Lösung gefunden werden, die auch für Florian und Vreni akzeptabel ist. Das sei heutzutage juristisch ziemlich kompliziert, erzählt Markus Mayr. „Wir schauen, dass wir es gut und einvernehmlich hinbekommen. Viele Familien zerkriegen sich leider über dem Erbe.“