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Der Hölzlhof in Waakirchen

Im westlichen Teil des Landkreises Miesbach liegt der idyllische Hölzlhof, der seit 1781 über viele Generationen hinweg von der Gründerfamilie bewirtschaftet wird. Für Regina Hölzl, eine temperamentvolle Frau um die fünfzig, ist dieser Hof sehr viel mehr als nur ein landwirtschaftlicher Betrieb: Er ist ein Lebensquell der Erfahrungen und Erinnerungen, seit nunmehr 29 Jahren.

Dabei reicht die Verbundenheit zur Landwirtschaft tief in ihre Kindheit zurück, wuchs sie doch auf einem Bauernhof im zwanzig Kilometer entfernten Leitzachtal auf, bevor sie in die Familie Hölzl einheiratete.

Untypisch für eine Bäuerin bezeichnet sich Regina als „Morgenmuffel“ und benötigt zwei Wecker, um aus den Federn zu kommen. Danach folgt das immer gleiche Ritual: Sie begrüßt die Tiere mit „Guten Morgen“. Für Städter mag das verrückt klingen. Oft bekommt sie zu hören, eine Kuh verstehe doch kein Deutsch oder Bayerisch.

„Wenn ich mich für eine Lieblingsjahreszeit entscheiden müsste, könnte ich das gar nicht. Ich mag den Herbst mit den bunten Blättern und den Winter mit den Schneedecken oder einen schönen heißen Sommertag.“

Regina Hölzl

Den Kühen geht es einfach besser, wenn sie auf der Weide und in einer natürlichen Umgebung sind, findet Regina. Das gilt noch mehr auf der Alm, weshalb es ihr so wichtig ist, die Jungtiere dorthin zu geben. Auf diese Weise bleibt die Tierhaltung komplett regional, ein wünschenswerter Nebeneffekt.

„Die Kuh ist so ein Feinschmecker und hat eine extrem feine Nase“, erklärt die Bäuerin. „Eigentlich sind die sehr heikel. Im Futtertisch schieben die ihr Essen hin und her und wählen aus, genau wie wir Menschen es beim Eintopf machen.“ Wenn man durch das Gras gehe, würde erst einmal alles gleich aussehen, bis man irgendwann den „Grasblick“ bekomme. Einmal begleitete Regina Hölzl einen Biologen, der im Auftrag von Bergader die Gräser in der Nähe ihres Hofes im Tal bestimmte. 68 verschiedene Arten konnte er ausfindig machen, darunter auch viel Ungras, Unkraut und Giftpflanzen. Auf der Alm ist diese Vielfalt noch konzentrierter.

„Man ist ja immer überrascht, wie kurz das Gras da oben ist, und fragt sich, ob die auch satt werden, aber die werden da rund und denen geht es gut“, erklärt die Bäuerin. Zwar sei ein dort gepflückter Frauenmantel gerade einmal halb so groß wie im Tal, doch „ein Rucksack voll Gras von der Alm ist genauso viel wert wie eine Schubkarre im Tal. Da ist viel mehr Gehalt drinnen und verschiedenste Kräuter, die nahrhaft sind.“

Die Almen sind sehr anspruchsvoll – weitläufig und daher arbeitsintensiv. Die Senner müssen die Weiden freihalten und die Tiere hochtreiben. Sie müssen im Blick haben, wo und wann die Herde zum Wassertrinken kommt, und dabei über hundert Tiere im Auge behalten. Sie müssen sicherstellen, dass diese nicht weglaufen, abstürzen oder sich verletzen, und Krankheiten frühestmöglich erkennen. Das Verletzungsrisiko auf der Alm ist naturbedingt viel höher als im Tal, zumal die Tiere neugierig, entdeckungsfreudig und alles andere als ängstlich sind. Jeden Tag müssen die Senner die Herde zählen und die komplette Almfläche ablaufen. Wenn der Zaun durch Wanderer, Mountainbiker oder Wild zerstört wurde, muss er sofort wieder repariert werden. Von daher ist Regina Hölzl voller Hochachtung für die Almbauern und Senner, die manche der Hütten über Generationen hinweg seit drei oder gar vier Jahrhunderten betreiben.

Regina Hölzl holt die Tiere am Abend von der Weide zum Melken in den Stall

Um ihre vielfältigen Erfahrungen an Kinder und Jugendliche weiterzugeben, entschloss sich Regina eines Tages, „Erlebnisbäuerin“ zu werden, was eine spezielle Ausbildung erforderte. Zu dieser Zeit hatte sie selbst Kindergartenkinder und versuchte nun, Schulklassen und Kindergartengruppen für eine Lebens- und Wirtschaftsform zu begeistern, die inzwischen kaum noch im gesellschaftlichen Bewusstsein präsent ist oder auch verzerrt wahrgenommen wird.

„In meiner ersten Stunde als Erlebnisbäuerin wusste ich gar nicht, was ich denen zeigen soll. Ich bin nichts Besonderes, habe dann aber gemerkt, dass ich gar nichts Besonderes herzeigen muss. Es hat gereicht, einfach den Hof zu präsentieren und zu zeigen, wie man tickt. Allein schon, wenn eine Katze oder Kälbchen kommt und das Kind sich hinsetzt und lernt, Vertrauen aufzubauen. Wenn man Ruhe ausstrahlt, kommen die Tiere von ganz allein zu einem.“

Aus diesen scheinbar einfachen Lektionen wurde schließlich ein schriftliches Konzept, das beim Amt für Landwirtschaft einen Wow-Effekt auslöste. Am wichtigsten war es Regina, die Symbiose zwischen Wildtieren, Haustieren und Nutztieren zu vermitteln. Die Kinder sollten zum Beispiel verstehen lernen, dass eine Scheune nicht gesaugt oder sauber gefegt wird, sondern dreckig und staubig bleibt, „weil sich da die Fledermaus und die Spinne wohlfühlt oder auch mal ein Marder oder Siebenschläfer“.

Für Regina Hölzl war die Interaktion mit den Kindern und Jugendlichen ihrerseits eine beglückende Zeit, ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Dennoch entschied sie sich vor fünf Jahren, diese Tätigkeit zu beenden. Damals starb ihr Mann und von nun an war nichts mehr wie es zuvor war: „Ich konnte das kaum verarbeiten und mir wurde klar, dass ich diese Freude und das Emphatische nicht mehr rüberbringen konnte. So ist es mit allem, man muss es auch mal gut sein lassen.“

Regina Hölzl ist mit dem neuen Melkstand sehr zufrieden.

Bisher hatte Regina vor allem gemeinsam mit ihrem Mann und den Schwiegereltern den Hof geführt. Nun stellte sich akut die Frage nach der Übergabe an die nächste Generation. Den vier gemeinsamen Kindern stand es offen, den Hof zu übernehmen. Ihre Erfahrungen hatten sie schon länger sammeln können, immer wieder als Team mitangepackt. „Ich habe keinen Druck auf meine Kinder ausgeübt“, sagt Regina. „Früher war das anders. Aber die Landwirtschaft ist ja besonders. Man hat keine festen Arbeitszeiten, kein festes Einkommen, keinen Urlaub. Nur mit den Vorteilen leben kann jeder. Es gibt aber eben auch sehr viele Nachteile, mit denen man klarkommen muss.“

Martin, der älteste Sohn, hatte Zimmerer gelernt und anfangs wenig Interesse am Hofleben gezeigt. Nachdem er seinen Beruf eine Zeit lang ausgeübt und auch dessen Schattenseiten kennengelernt hatte, entschied er sich schließlich doch, den Hof weiterzuführen und ist jetzt Betriebsleiter. Das knüpfte er allerdings an Bedingungen, war dem Hof doch das hohe Alter deutlich anzusehen und Sanierungen unumgänglich.

„Martin hat gesagt, er möchte nicht Sklave von seinem eigenen Hof sein und sich verschulden. So sind wir halt auf das System gekommen, dass wir umbauen und anbauen. Ein kleiner ungenutzter Teil vom alten Gebäude ist weggekommen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir durch den gefundenen Aufzuchtbetrieb Platz gewonnen haben. Manchmal werden wir belächelt, so baut halt kein Mensch mehr.“

In den letzten Jahren hat Regina Hölzl eine neue Rolle übernommen und fungiert als Dienstleisterin für andere Landwirte, speziell bei der Umsetzung der Düngeverordnung. Es ist ein notwendiger Job, den dennoch keiner gern übernehmen will. „Die Düngeverordnung ist bei den Landwirten ein ganz großes Hassthema. Eigentlich ist sie wichtig und es muss sie geben. Entstanden ist aber ein undurchsichtiger Paragrafenwahnsinn und ich helfe den Betrieben, damit zurechtzukommen. Was uns traurig macht, ist, dass wir mit Vorschriften zugedonnert werden. Dabei wollen wir ja eigentlich nur gesunde Tiere und den Generationenvertrag weitergeben.“ Von der Gesellschaft wünscht sich Regina Hölzl mehr Vertrauen in die traditionelle Landwirtschaft. Viel zu oft würden die Bergbauern als Umweltverschmutzer oder Tierquäler diffamiert. „Wir pflegen und bewirtschaften unsere Tiere, Weiden, Äcker und Wälder nach bestem Wissen und Gewissen. Warum spürt man nicht ein klein wenig Dankbarkeit, dass wir zu einer gesunden und nachhaltigen Lebensmittelproduktion beitragen?“

Der Hof von Regina Hölzl