Der Scharlhof in Bad Feilnbach
Wegen seines milden Klimas und der vielen Obstbäume wird Bad Feilnbach im Landkreis Rosenheim gern das „bayerische Meran“ genannt. Der anerkannte Heilkurort ist auf die besondere Qualität der hiesigen Torfvorkommen stolz und hat sich deshalb auf Moorheilbäder spezialisiert. Es gibt vier Blaskapellen und vier Trachtenvereine. Die Wirtschaft prägen neben den Kur- und Gesundheitseinrichtungen zahlreiche traditionsreiche Familienbetriebe. Einer davon ist der Hof der Familie Maurer, am Ortsrand direkt unterhalb des Farrenpoints, einem beliebten Wanderziel im Wendelsteingebiet.
„Das erste Wort, das Michael gesagt hat, war nicht Mama oder Papa, sondern, Kuh‘“. Daran erinnert sich der fast 80-jährige Vitus Maurer noch immer lebhaft, obwohl das schon sehr lange zurückliegt. „Zwar helfe ich auch noch ab und zu mit, aber das meiste lasse ich jetzt die Jugend erledigen.“ Mit „Jugend“ ist der nämliche Sohn Michael gemeint, obwohl der inzwischen bereits um die fünfzig ist und selbst vier Kinder hat. Dass die Landwirtschaft jung hält, scheint eine in der ganzen Familie Maurer verbreitete Überzeugung zu sein.
Vitus und Michael, der jetzige Hofeigner, erklären wortgleich, dass sie „mit Leib und Seele“ Landwirte sind. Michaels sieben Jahre jüngere Frau Andrea ist eigentlich Hotelfachfrau und mochte ihren Beruf. „Ich habe dort viel Spaß gehabt, aber tauschen würde ich nicht mehr wollen“, sagt die Quereinsteigerin. „Die Landwirtschaft ist mein Leben. Es ist die ganze Atmosphäre am Hof, weswegen wir immer gute Laune haben. Wir sind einfach von Natur aus fröhliche Leute.“
Mit dieser Grundeinstellung haben sie auch die nächste Generation angesteckt, vor allem Michael jun., der vom Vater mehr als nur den Namen geerbt zu haben scheint. Vor ein paar Jahren habe er angefangen, sich zunehmend für die Landwirtschaft zu interessieren, erklärt er, obwohl er gerade erst ins Teenageralter gekommen ist: „Meine liebsten Arbeiten am Hof sind Kreiseln und Schwadern. Traktor generell.“ Anfangs ist er nur viel mitgefahren, inzwischen lenkt er selbst. „Aber ich helfe auch gerne im Stall beim Füttern oder beim Schneeräumen im Winter.“ Eigentlich mag Michael jun. fast alle Arbeiten, die am Hof anfallen, und dass er später Bauer wird, versteht sich für ihn von selbst. Verglichen mit den meisten seiner Altersgruppe wirkt es etwas aus der Zeit gefallen, dass der Teenie am liebsten draußen ist und seine Aufmerksamkeit statt auf Elektronik auf die ihn umgebenden Tiere lenkt.
Der Dachstuhl des Hauptgebäudes trägt die Jahreszahl 1905 und der Hof hat sich viel von seinem alten Charme erhalten. Vom Traktor abgesehen, wird meist noch mit traditionellem Gerät gearbeitet; bei der Ernte findet ein alter Ladewagen Verwendung. Es gibt 30 Milchkühe und 22 Rinder in der Nachzucht. Die Jungtiere grasen direkt vor dem Haus, wenn sie nicht gerade auf der Alm sind. Vielfalt nimmt einen höheren Stellenwert ein als die Leistung der Kühe; Familie Maurer will eine möglichst bunte Herde. Zwar ist diese eine Einkommensquelle, doch gerade deshalb ist der Respekt vor jedem einzelnen Tier, das man über viele Jahre tagtäglich begleitet, wichtig, findet Andrea. „Die Kühe sind Lebewesen und der gute Umgang mit ihnen gehört einfach dazu. Wir scheren sie sogar, damit sie nicht so schwitzen und sauberer bleiben.“ Sie ist davon überzeugt, dass sie es auf der Weide mit dem frischen Gras besser haben als in einem Laufstall.
„Früher hatten wir keine Alm“, erinnert sich Vitus Maurer. „Da ist dann ein- oder zweimal im Jahr das Futter doch knapp geworden.“ Für seinen Sohn ist es eine Erleichterung, dass inzwischen eine Alm gepachtet wurde, die auch über einen Wasseranschluss verfügt, sodass das aufwändige Anfahren von Wasser für die Kälber entfällt. Nun kann auch genügend Futter bevorratet werden, das inzwischen in einem luftdichten Silo gelagert wird anstatt im Schuppen, wo es infolge der zunehmenden Trockenheit zu leicht in Brand geraten könnte.
Damals wie heute hat die Familie weitgehend unabhängig von fremder Hilfe gewirtschaftet. Michael sen. möchte das auch so fortführen, erlaubt es doch eine höhere Flexibilität beim Erledigen der anstehenden Arbeit. Es reicht daher beispielsweise, in der Frühe das Wetter entscheiden zu lassen, ob an einem Tag gemäht werden soll. Freilich braucht es für die eigenen Erzeugnisse zuverlässige Abnehmer, die die Qualität der Produkte zu schätzen wissen. „Als wir mit Bergader zusammengekommen sind, hat mich das richtig gefreut“, erklärt Michael. „Bei der ersten Versammlung der Molkerei hat die oberste Chefin von Bergader jeden Landwirt persönlich begrüßt. Das kannte ich vorher so nicht.“
Als Haupthemmnis betrachtet er neben dem Preisdruck die überbordende Bürokratie. Sein Vater Vitus formuliert das weniger diplomatisch. „Von jemanden, der noch nie eine Kuh gemolken oder den Stall ausgemistet hat, möchte ich mir nicht vorschreiben lassen, wie ich meine Arbeit korrekt erledige.“
Damit sich das ändert, müssten die Landwirte wieder mehr Anerkennung finden, meint Schwiegertochter Andrea: „Urlaub gibt es ganz selten. Wir sind 24 Stunden für den Hof da, ganz gleich, ob Feiertag oder Wochenende, 365 Tage im Jahr. Wertschätzt doch bitte, woher die Lebensmittel kommen und seid das nächste Mal etwas geduldiger, wenn ein Traktor vor euch herfährt oder Kühe die Straße überqueren müssen!“