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Der Kainzenhof in Gmund

Um einen traditionellen Landwirtschaftsbetrieb mit Alm in die Zukunft zu führen, braucht es eine gewisse Instinktsicherheit. Diese wurde dem 64-jährigen Axel Riecke, Eigner des Kainzenhofs in Gmund am Tegernsee in der vierten Generation, praktisch in die Wiege gelegt.

Früher als die meisten Bauern in der Gegend erkannten seine Eltern die Notwendigkeit, die betrieblichen Risiken auf mehrere Standbeine zu verteilen. 1972 siedelten sie den Hof, dessen Geschichte bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, an einen neuen Standort um, der die Chance auf Modernisierung und Erweiterung bot. Sie gehörten zu den Ersten in der Region, die auf ihrem Anwesen Fremdenzimmer einrichteten und Gäste willkommen hießen. Damals waren „Ferien auf dem Bauernhof“ noch neu. Bis heute hat sich allerdings wenig daran geändert, dass die Fremdenzimmer eine kleine touristische Nische sind.

„Jede Kuh hat ihre Persönlichkeit, wie bei Menschen auch. Und jede hat einen Namen.“

Hildegard Riecke

Seinen Beruf hat Axel von der Pike auf gelernt. Mit 15 stieg er in den Betrieb der Eltern ein und legte 1984 seine Prüfung zum Meister in der Landwirtschaft ab. Kurz darauf heiratete er seine Frau Hildegard, die ihrerseits den Meistertitel für Hauswirtschaft erwarb, seither als Melkerin im Stall arbeitet und sich zudem um die Feriengäste kümmert, mittlerweile unterstützt von der gemeinsamen Tochter Katharina. Aus einem Betrieb für Baumfällungen entwickelte Axel die heutige Firma für Garten- und Landschaftsbau (Galabau), die je nach Auftragslage zwischen sieben und zehn Mitarbeiter beschäftigt und nun mehr und mehr in den Verantwortungsbereich von Sohn Benedikt übergeht. Der absolvierte 2012 seine Ausbildung zum Meister in Garten- und Landschaftsbau. Seither stehen die vier Meistertitel in der Familie auch stellvertretend für die drei Standbeine, die das langfristige Gedeihen sichern sollen.

Dennoch besteht in der Familie Einigkeit, dass die Landwirtschaft das Herzstück ist und bleibt. Nach wie vor sehen sie sich in erster Linie als Bergbauern, was zugleich den besonderen Reiz, aber auch die Schwierigkeit der Arbeit ausmacht. Derzeit gibt es 25 Kühe, dazu die gleiche Zahl an Jungvieh. Da es eine Tag- und eine Nachtweide gibt, kommen die Tiere nur im Winter oder zum Melken in den Stall. Entsprechend entspannt sind die Tiere, meint Hildegard Riecke. „Jede Kuh hat ihre Persönlichkeit, wie bei Menschen auch. Und jede hat einen Namen. Die Kühe sind meine Freundinnen.“

„Wir nutzen keine Chemie und keinen Kunstdünger“, fügt Axel hinzu. „Alles, was sie brauchen, holen sich unsere Damen von unseren Flächen. So ist der Milch- und Fleischertrag der Kühe hervorragend.“ Überhaupt wird Nachhaltigkeit großgeschrieben. Die nötige Energie für Heizung und warmes Wasser erzeugt der Hof selbst, wofür einerseits eine moderne Photovoltaikanlage sorgt, andererseits wird ausschließlich mit Hackschnitzeln geheizt, die aus dem eigenen Wald entnommen werden, der etwa zwanzig Hektar umfasst.

Holzarbeiten mit Seilzug bei der Mittleren Heubergalm von Axel Riecke

Noch wichtiger für einen funktionierenden Kreislauf ist die Almwirtschaft. Zum Hof gehört eine eigene Alm in Geitau bei Bayrischzell, auf der das Jungvieh von Mai bis Oktober die Sommerfrische verbringt. „Die Almen dienen als zweite Futtergrundlage für die Jungtiere“, erklärt Axel, „damit wir zuhause Futter für den Winter vorbereiten können. Wenn das nicht mehr gegeben ist, werden viele Landwirte aufhören müssen.“

Über die Artenvielfalt am Berg gerät der Bauer immer wieder ins Staunen. Da treffe er auf Insekten, die man sonst nicht mehr zu Gesicht bekomme. Kein Wunder, dass seine Alm Teil eines Landschaftsschutzgebiets ist, was eine zusätzliche Verantwortung mit sich bringt. Jedes Jahr müssen die Flächen freigehalten werden, vor allem durch das sogenannte Schwenden, sonst wächst alles sehr schnell wieder zu. „Wenn die Almen verwildern, wäre das nicht nur für uns Bauern, sondern auch für die Touristen schlimm“, meint Axel. „Verschwundene Weide- und Kulturflächen wieder zu erschließen wie noch zu Klosterzeiten – die Mühe macht sich heute keiner mehr.“

Stefanie und Hans unterstützen den Kainzerhof als Senner. Die beiden sind eigentlich schon im Ruhestand und haben den eigenen Hof bereits an die nächste Generation abgegeben. Ihren Feriengästen empfehlen die Rieckes deshalb auch wärmstens, sich von der Besonderheit der Almlandschaft durch eine Wanderung selbst zu überzeugen und anschließend das Senner- Ehepaar „auf eine Brotzeit oder ein Schnapserl“ zu besuchen.

Hildegard Riecke bei der allmorgendlichen Stallarbeit.

Eins von vielen Beispielen, mit denen die Familie, vor allem Mutter Hildegard und Tochter Katharina, ihren Besuchern die Hintergründe des Lebens der Bergbauern nahebringen will. Daher können Gäste hier eben nicht nur mit den vier Haflingern Reitstunden nehmen oder mit den Katzen und Zwerghasen herumschmusen. Auch die alltägliche Arbeit lässt sich miterleben und am Ende können die Ferienkinder sogar ein „Stalldiplom“ erwerben.

Diese vielfältigen Angebote haben sich im Mai 2023 in der Verleihung des „Goldenen Gockels“ niedergeschlagen, mit dem alljährlich bayernweit die zwanzig gastfreundlichsten Ferienhöfe ausgezeichnet werden – beworben hatten sich 1.400 Anbieter. Katharina Riecke hat sich darüber vor allem gefreut, weil so die Leidenschaft, die die Familie seit so vielen Jahren in den Hof einbringt, in der Öffentlichkeit honoriert wurde: „Wir werden auf jeden Fall weitermachen. Ich bin die fünfte Generation. Dass wir auf dem Hof mal keine Tiere mehr haben, kommt für mich nicht in Frage.“

Die Mittlere Heubergalm in traumhafter Lage, dahinter der Wendelstein.